Ursachen der Ungleichheit

Die sozioökonomische Analyse besteht darauf, dass Ressourcen-, vitale- und existentielle Ungleichheit nicht auf individuelle Merkmale reduziert werden können, sondern durch soziale Institutionen geschaffen und vorangetrieben werden³³ und durch Machtverhältnisse bedingt sind. Für die globale Ebene haben wir bereits beschrieben, wie die neoliberale Globalisierung die Machtverhältnisse tiefgreifend verschoben und zu einem sinkenden Anteil des Arbeitseinkommens und einer zunehmenden Ungleichheit zwischen verschiedenen Arten von Jobs geführt hat. Eine weitere Verschiebung des Machtgleichgewichts hat, durch die Privatisierung öffentlicher Güter, zwischen privaten und öffentlichen Institutionen stattgefunden. Dies hat auch die Möglichkeiten der Ungleichheit durch öffentliche Programme entgegenzuwirken verringert.³⁴ Während das private Nettovermögen stark zunahm, liegt das öffentliche Nettovermögen in den meisten OECD-Ländern inzwischen nahe Null oder sogar im negativen Bereich. Bei näherer Betrachtung der Einflussfaktoren für Ungleichheit innerhalb einer Gesellschaft haben viele Studien belegt, dass die Ungleichheit über Generationen in den Familien vererbt wird und dadurch die Klassenunterschiede verstärkt werden. Am deutlichsten zeigt sich dies bei den wirtschaftlichen Ressourcen, aber auch auf subtilere Weise bei der Sozialisierung im Bildungssystem und in den sozialen Netzwerken des täglichen Lebens, was zu ungleichen sozialen und kulturellen Ressourcen (oder “Kapital” in der Terminologie des französischen Soziologen Pierre Bourdieu³⁵) führt. Es gibt mehrere Teufelskreise zwischen ungleichen Mitteln und ungleichen Ergebnissen: zwischen fehlendem Einkommen und Gesundheitszustand, verfügbarer Zeit und Bildung oder zwischen Bildung und politischem Einfluss. Eine sozioökonomische Perspektive der Ungleichheit betrachtet nicht nur “traditionelle” wirtschaftliche Institutionen wie Steuer- und Arbeitsmarktregulierungen, sondern berücksichtigt auch Bereiche wie Bildung, Wohnungswesen oder Gesundheitssysteme als Ursachen der Ungleichheit.