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Lektion 2, Thema 10
In Progress

Umgang traditioneller Wohlfahrtsregime mit Ungleichheit

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Dieses Kapitel konzentriert sich auf Ansätze zur Verringerung von Ungleichheit auf (sub-)nationaler Ebene und legt dabei einen Schwerpunkt auf den Globalen Norden. Eine Antwort auf die Verringerung von Ungleichheiten sind Wohlfahrtsregime.41 Esping-Andersen unterscheidet drei Idealtypen von Wohlfahrtsregimen im Globalen Norden: ein liberales, ein konservatives und ein sozialdemokratisches Wohlfahrtsregime.42 Diese bieten unterschiedliche Arten und Grade des Schutzes vor sozialen Risiken, da sie die Kommodifizierung (d.h. zur kaufbaren Ware machen) verschiedener sozialer Funktionen wie Arbeit, Altersvorsorge, Bildung, Wohnen, Gesundheit und Pflege verhindern. Sie unterscheiden sich darin, inwieweit bestimmte öffentliche Dienstleistungen als soziale Rechte angesehen werden und daher nicht von der Zahlungsfähigkeit abhängen sollen. Das liberale Wohlfahrtssystem dominiert in angelsächsischen Ländern wie den USA, dem Vereinigten Königreich und Australien. Es ist ein System, für diejenigen, die in der Marktwirtschaft nicht für sich selbst sorgen können: Kranke, Menschen mit besonderen Bedürfnissen, ältere Menschen, Arbeitslose. Es handelt sich ausdrücklich nicht um einen Wohlfahrtsstaat für alle, sondern nur sog. “Bedürftige”. In Marktgesellschaften seien Menschen für sich selbst verantwortlich und würden entsprechend ihrer Marktleistung bezahlt. Dieser residuale Wohlfahrtsstaat versucht zu verhindern, dass Arbeitsfähige zu Unrecht Sozialleistungen beanspruchen. Das führt zu hohen bürokratischen Kosten und Stigmatisierung. Die Mittelschicht in diesen Ländern ist in der Regel bestrebt, von Sozialleistungen unabhängig zu bleiben. Daher florieren private Strukturen wie Privatschulen, private Altersvorsorge und private Krankenversicherungen für die Mittelschicht und gut Verdienende. Das konservative Wohlfahrtsregime ist in Kontinentaleuropa in Ländern wie Deutschland, Österreich und Frankreich vorherrschend. Seine Ursprünge gehen auf kollektive Versicherungen in Berufsgruppen zurück, in denen bestimmte Risiken geteilt wurden (z. B. sind Minenarbeiter*innen regelmäßig Opfer von Grubenunfällen und Landwirte*innen Opfer von extremen Wetterereignissen). Der Zugang zu einem Großteil der Sozialleistungen ist an die Teilnahme am Arbeitsmarkt und/oder die Staatsbürgerschaft geknüpft. So entsteht ein Wohlfahrtsstaat, der nach dem Versicherungsprinzip funktioniert: Versicherte sind “Insider”, Nicht-Versicherte sind “Outsider”. Zu letzteren gehören auch viele Migrant*innen und viele Frauen. In Skandinavien (Schweden, Dänemark, Norwegen und Finnland) dominiert das sozialdemokratische Wohlfahrtsregime. Es garantiert universelle soziale Rechte und ist bestrebt, gut ausgebaute öffentliche soziale Infrastrukturen, Bildung, Gesundheit, Pflege und angemessenen Wohnraum für alle bereitzustellen. Dies führt zu einer (teilweisen) Dekommodifizierung dieser Dienstleistungen, d. h. der Schulbesuch ist keine Ware, für die bezahlt werden muss; kommunale und soziale Wohnungen werden öffentlich gefördert. Grundprinzipien dieses Modells sind eine Politik der Vollbeschäftigung (alle Menschen haben ein Recht auf Arbeit) und das Recht auf Zugang zu Dienstleistungen und Infrastrukturen von guter Qualität für alle Einwohner*innen (auch jenen mit hohem Einkommen).

Die folgende Tabelle fasst die Merkmale der drei Arten von Wohlfahrtsregimen zusammen:

  Liberales Wohlfahrtsregime Konservatives Wohlfahrtsregime Sozialdemokratisches Wohlfahrtsregime
Länder Angelsächsische Länder Kontinentaleuropa Skandinavien
Verständnis des Sozialstaats Sozialstaat nur für Bedürftige; gute Qualität sozialer Dienste wird privat angeboten Sozialleistungen an die Beteiligung am Arbeitsmarkt und/oder an Staatsbürgerschaft gebunden Sozialstaat bietet öffentliche Dienstleistungen in guter Qualität für “alle” an 
Kommodifizierung Märkte für Altersvorsorge, Bildung, Wohnen, Gesundheit und Pflege Dekommodifizierung sozialer Dienstleistungen für “Insider” Dekommodifizierung sozialer Dienstleistungen für “alle”

Die verschiedenen Wohlfahrtsregime haben unterschiedliche Auswirkungen auf die Ungleichheit und damit verbundene Indikatoren des gesellschaftlichen Wohlergehens. Die Übung 2.1 ermöglicht es den Teilnehmer*innen, die soziale Performance von Ländern mit unterschiedlichen Wohlfahrtsregimen zu untersuchen.

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