Wie sieht die Geldschöpfung der Regierung im einfachsten Falle aus? Zum Beispiel in Kanada?
In Kanada können Finanzministerium und Zentralbank die staatliche Geldschöpfung direkt unter sich ausmachen. Wie das funktioniert, schauen wir uns jetzt in etwas vereinfachter Form an, als anschauliches Zwei-Personen-Stück: Stellen wir uns vor, die kanadische Finanzministerin braucht für die Regierungspolitik 50 Milliarden kanadische Dollar. Dann kann sie deswegen direkt zum kanadischen Zentralbankchef gehen und ihm als Gegenwert Staatsanleihen im Wert von 50 Milliarden kanadischen Dollars ausstellen. Und der Zentralbankchef schreibt der Finanzministerin dafür 50 Milliarden brandneue kanadische Dollar in Zentralbankgeld auf das Regierungskonto gut. In der Form der vereinfachten T-Konten würde dieser Geldschöpfungsprozess so aussehen:
Wir sehen hier eine sehr ähnliche Situation wie in den T-Konten bei der Giralgeldschöpfung zugunsten von Marta: Geldschöpferin und Empfängerin tauschen spiegelbildliche Aktiva und Passiva. In diesem Beispiel erzeugt die Zentralbank 50 Milliarden kanadische Dollar, indem sie sie als Aktivum in das Zentralbankkonto der Regierung einträgt. Als Gegengewicht bekommt die Regierung aber auf die Passiv-Seite auch eine gleichhohe Schuld eingetragen, denn sie hat sich mit der Staatsanleihe verpflichtet, nach Ablauf der Laufzeit der Staatsanleihe 50 Milliarden kanadische Dollar zurückzubezahlen.
In das T-Konto der Zentralbank werden dieselben Dinge andersherum eingetragen: Bei ihr kommen die Staatsanleihen im Wert von 50 Milliarden kanadischen Dollar auf die Aktiv-Seite, denn sie geben der Zentralbank das Recht, nach Ablauf der Frist, Geld von der Regierung zu verlangen. Aber auch die Zentralbank ist eine Schuld eingegangen. Sie hat sich verpflichtet der Regierung 50 Milliarden kanadische Dollar bereitzustellen und sie bei Bedarf bar auszuzahlen oder – wahrscheinlicher – für die Regierung weiter zu überweisen. Wieder wird das frisch geschöpfte Geld als Schuld der Geldschöpferin registriert. Und wieder haben beide Parteien Verbindlichkeiten ausgetauscht, wobei die Schuld der einen, jeweils das Aktivum der anderen wurde.
Die T-Konten zeigen die so entstandene Bilanzverlängerung für beide Parteien: plus 50 Milliarden links, minus 50 Milliarden rechts. Das Nettovermögen ist hinterher exakt so hoch wie vor den Buchungen. Bei der Zentralbank bleibt die Bilanzverlängerung bestehen, bis die Schuld aus der Staatsanleihe zurückgezahlt wird (oder die Zentralbank selbst die Staatsanleihe an den Bankensektor weiterverkauft). Dann verkürzt sich die Bilanz wieder. Bei der Regierung ist das anders, ihre Bilanzverlängerung ist nur eine Momentaufnahme, ihr Nettovermögen wird sich schnell verändern. Denn die Regierung wird das Geld bald an die Empfänger:innen der Staatsausgaben weiterüberweisen. Das Geld wird – übersetzt von den Banken – zu Einnahmen und Ersparnis auf den Konten von Haushalten und Unternehmen und wird in der Realwirtschaft zirkulieren. In der Regierungsbilanz bleiben dagegen 50 Milliarden neue Schulden gegenüber ihrer eigenen Zentralbank – oder gegenüber den Banken, an die die Staatsanleihen weiterverkauft werden. Denn wahrscheinlich wird die kanadische Zentralbank die Staatsanleihen weiterverkaufen – damit sie ihre Schwammfunktion im Bankensystem ausüben können.