Warum haben wir zwei Sorten Geld und wieso dürfen private Banken Geld machen?
Man kann sagen, dass es sich bei der Bankengeldschöpfung um ein historisches Überbleibsel handelt. Schon seit der Renaissance hat sich in Europa ein privates Bankwesen entwickelt. In Venedig wurde die Kulturtechnik der doppelten Buchführung erfunden, die sich bis heute nicht grundsätzlich verändert hat. Norditalienische Banken erfanden Konten, Buchgeld und Überweisungen, Londoner Banken dann noch die Kreditgeldschöpfung und das Papiergeld. Schließlich reagierten die Staaten und begannen die Zügel in die Hand zu nehmen: Die Regierung zog das Monopol auf die Ausgabe von Papiergeld an sich und organisierte die Gründung einer Zentralbank, die Zentralbank begann ihr eigenes unbares Geld in Konten zu schöpfen, dann wurden die Banken der Zentralbank unterstellt und schließlich stellten die Zentralbanken von einer teilweisen Golddeckung offiziell auf reines Fiatgeld um, das sie unbegrenzt herstellen können. Das Einzige, was die Staaten im Kern nie angerührt haben, ist das Recht der Banken zur Schöpfung von Giralgeld.
Es entstand daher ein zweistufiges Geldsystem mit zwei Sorten Geld und folgender Arbeitsteilung: Die staatliche Zentralbank macht die eigentliche Währung, das Zentralbankgeld – sowohl als unbares Geld auf Zentralbankkonten als auch als Bargeld. Der Staat benutzt das unbare Zentralbankgeld für seine Ausgaben, Banken nutzen es untereinander zur Abrechnung, die Zentralbank nutzt es zur Absicherung des Bankensystem und die Bevölkerung nutzt Zentralbankgeld in Form von Bargeld. Die Banken dagegen dürfen davon ein Geld zweiter Ordnung ableiten, also das Giralgeld für den privaten Sektor schöpfen. Dafür gab es praktische Gründe: Diese Arbeitsteilung hatte sich eingespielt. Die Geschäftsbanken führten bereits die Konten für Haushalte und Unternehmen, sie hatten Filialen überall im Land und bei der Kreditvergabe kam ihnen zugute, dass sie mit der Wirtschaft und den Gewinnaussichten vor Ort vertraut waren. Gleichzeitig sind die Privaten abgesichert, denn das Giralgeld ist über das Bargeld und weitere Mechanismen und Regulierungen der Zentralbank untergeordnet. Auch der Zins wird über den Leitzins von der Zentralbank kontrolliert. Diese Arbeitsteilung zwischen Staat und privaten Banken scheint vertretbar – solange Banken nichts weiter tun, als Konten zu führen und Kredite an die Privatwirtschaft auszuhändigen, so wie das in den ersten Nachkriegsjahrzehnten der Fall war.
Seit den 1980er Jahren begann allerdings eine Phase der Deregulierung des Finanzwesens. Banken nutzen seither ihr Geldschöpfungsprivileg und ihren privilegierten Zugang zu Zentralbankgeld für stark spekulative und riskante Geschäftsmodelle zur Erzielung hoher privatwirtschaftlicher Gewinne. Solche Geschäftsmodelle führten zur globalen Finanzkrise von 2008, von der sich insbesondere viele europäische Länder bis heute nicht erholt haben. Es gibt inzwischen viele Beschreibungen der Schäden und Risiken, die das globale Finanzsystem der Allgemeinheit beschert, mit bestimmten Banken, Hedgefonds, Schattenbanken, exorbitantem Derivatehandel, Hochfrequenzhandel oder sogar Geschäftsmodellen wie Cum-Ex oder Cum-Cum, die explizit die Ausbeutung staatlicher Gelder betreiben. Es gibt auch viele Vorschläge sinnvoller Gegenmaßnahmen.
Was das Finanzsystem betrifft möchte sich dieser Text daher darauf beschränken zu unterstreichen, dass Re-regulierung nicht nur nötig, sondern auch möglich ist. Denn obwohl der Finanzsektor in den letzten Jahrzehnten gewachsen ist und sich ausdifferenziert hat, hat sich an der systemischen Hierarchie zwischen Staat und Banken nichts geändert: Der Staat hat noch immer das Währungsmonopol. Rein technisch brauchen Banken daher für ihre Geschäftsmodelle immer staatliches Zentralbankgeld. Dagegen braucht der Staat das Giralgeld der Banken nicht, ein privates Bankensystem ist nicht unverzichtbar. Geld ist ein öffentliches Gut, es sollte eine Selbstverständlichkeit sein, dass der Staat zumindest mit genug Kontrolle und Regulierung dafür sorgt, dass die Banken ihr abgeleitetes Geldschöpfungsprivileg nicht zum Schaden der Allgemeinheit einsetzen. Dies gilt umso mehr als es letztlich immer der Staat ist, der in jeder größeren Krise die Banken retten und die Realwirtschaft mit Defizitausgaben stützen muss. Und das wiederum ist unvermeidlich, da der Staat nun einmal für ein funktionierendes Finanz- und Wirtschaftssystem zu sorgen hat.