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Modernes Geld – Der Staat macht es möglich

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Lektion 2, Thema 10
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Wie geht die gefährdete Eurozone mit der Corona-Krise um?

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In der aktuellen Corona-Krise ist in die Eurozone neue Bewegung gekommen, die längerfristigen Perspektiven sind im Dezember 2020 aber noch offen. Die Grundregeln der Eurozone wurden nicht geändert, aber angesichts des offensichtlichen Bedarfs an höheren staatlichen Investitionen und somit einer höheren Staatsverschuldung, haben die Staaten improvisiert und auch innovative Maßnahmen ergriffen: Einige Regeln der Eurozone wie die Schuldenobergrenzen sind vorübergehend ausgesetzt worden. Die EZB stützt die Defizitausgaben der Staaten theoretisch unbegrenzt. Mit ihrem Pandemic Emergency Purchase Program (PEPP) hat sie die Zinsen für Staatsanleihen stabilisiert, indem sie garantierte, die Anleihen der Länder vom Bankensektor zu kaufen. Das ist ein klarer Bruch mit der Politik gegenüber Griechenland, Italien und anderen in der Eurokrise nach 2010. Diesmal droht kein Bankrott einzelner Staaten und die Zinsschere hat sich nicht weiter geöffnet.

Dennoch gibt es eine Zinsdifferenz, die die höher verschuldeten Euro-Staaten bei der Bekämpfung der Krise benachteiligt. Und solange die Zinsen höher sind als die Wachstumsraten, wird die Staatsverschuldung wachsen – in Relation zum BIP wie auch in absoluten Zahlen. Viele Staaten haben die begründete Befürchtung, dass die Euro-Zone nach der akuten Corona-Situation hohe Schuldenstände wieder bestrafen wird. So trauen sich die höher verschuldeten Euro-Staaten nicht, so viel Geld auszugeben, wie es die Wirtschaftskrise erfordern würde. Staaten wie Deutschland hingegen haben sich für riesige Konjunkturpakete entschieden, um ihre Wirtschaft zu stabilisieren. Unter diesen Bedingungen ist eine noch größere wirtschaftliche Ungleichheit in der Eurozone aber die logische Konsequenz.

Um die verwundbare Eurozone so widerstandsfähig zu machen wie jedes andere Land mit einer eigenen Fiat-Währung, wäre die Einführung von gemeinsamen Staatsanleihen, den sogenannten Eurobonds oder „Corona-Bonds“ am effektivsten gewesen. Damit wären alle spezifischen Probleme der Eurozone ein für alle Mal vom Tisch: der Vertrauensverlust in das Euro-Projekt seit 2010, als Griechenland in den Bankrott geschickt wurde. Die daraus resultierende Zinsspreizung. Ein Finanzsystem, das seitdem gegen bestimmte Staaten spekuliert. Und die Notwendigkeit der EZB, ihre Maßnahmen zur Verteidigung des Euro immer stärker auszuweiten. Wegen der divergierenden Interessen war es jedoch politisch nicht möglich, eine gemeinsame Verschuldung in Form gemeinsamer Anleihen durchzusetzen. Zudem besteht das Problem, dass so grundlegende Veränderungen wahrscheinlich einer stärkeren demokratischen Legitimation bedürften, möglicherweise mit Vertragsänderungen, institutionellen Veränderungen, Volksabstimmungen.

Anstatt also die Probleme auf der Ebene der Eurozone zu lösen, wo sie ihren Ursprung haben, hat die Europäische Kommission das Heft in die Hand genommen und eine eigene Initiative gestartet. Zum ersten Mal würde die Europäische Union selbst eine beträchtliche Menge an Schulden aufnehmen. Die Kommission gibt Anleihen heraus, Banken und Investoren kaufen sie mit dem von der EZB geschaffenen Zentralbankgeld. Dann gibt die Kommission das Geld an die EU-Regierungen weiter, teils als nicht rückzahlbare Hilfe, teils zu günstigen Kreditkonditionen. Die Staaten können investieren und versuchen, ihre schwächelnden Volkswirtschaften zu retten oder neu zu beleben. Dabei agiert die EU-Kommission währungspolitisch wie eine Bundesregierung, die für ihre Länder Geld schöpft, da einige von ihnen auf Grund des Euro-Regimes nicht mehr in der Lage sind, dies selbst ausreichend zu tun. Auch diese Lösung führt zu einer gemeinsamen Verschuldung (wie die Eurobonds), aber der Vorteil ist, dass die Europäische Union mit ihren Institutionen – Rat, Parlament und Kommission – mehr demokratische Legitimation besitzt und schneller handeln kann. Der Nachteil ist: Die vereinbarte Geldsumme ist für die Dimension der Krise nicht groß genug und die Intervention soll einmalig sein. An der Konstruktion der Eurozone wurden keine Änderungen vorgenommen, so dass eine langfristig tragfähige Lösung noch immer aussteht.

Das große Problem der Eurozone ist, dass die demokratische Legitimation, die Staatsausgaben und mögliche negative Folgen wie Inflation nicht mehr alle auf derselben Ebene liegen – wie das bei einer nationalen Währung der Fall ist. In der Eurozone sind die nationalen Parlamente und Regierungen immer noch die Akteure mit der stärksten demokratischen Legitimation, die daher über Ausgaben und Geldschöpfung entscheiden sollten. Aber im Falle von gravierenden Mehrausgaben einiger Staaten könnte es auch in sparsameren Euro-Staaten unter Umständen zu einer Inflation kommen, obwohl sie nicht von den Ausgaben profitiert haben und nicht gegen diese Politik stimmen können. Die Eurozone selbst hat hingegen keine demokratisch legitimierte staatliche Institution, die über Ausgaben zugunsten von Bürger:innen und Unternehmen entscheiden könnte. Die untaugliche Lösung in den europäischen Verträgen bestand darin, die Ausgaben einfach insgesamt einzuschränken – was aber ebenso eine massive Beschneidung des demokratischen Handlungsspielraums darstellt. Die jüngste provisorische Antwort auf dieses Dilemma ist die Übernahme von Schulden durch die Europäische Kommission. Wir werden sehen, wie sich die Institutionen weiter anpassen werden. Aus ökonomischer Sicht ist es einfach: Ob auf nationaler oder supra-nationaler Ebene, irgendeine staatliche Institution muss die Schulden übernehmen dürfen, sie muss genügend Geld schaffen und es zugunsten der Realwirtschaft ausgeben. Um die momentane Krise zu überwinden und bestenfalls, um unseren Kontinent zukunftsfähig zu machen.

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