Müssen Staatsschulden zurückgezahlt werden? Sollten sie zurückgezahlt werden?
Die einzelne Staatsanleihe muss natürlich bei Fristablauf immer zurückgezahlt werden. (Was, wie wir gerade gesehen haben, für einem Staat mit einer eigenen Zentralbank kein Problem ist.) Im Gegensatz dazu muss die Staatsschuld als Ganzes aber nicht zurückgezahlt werden, sondern kann einfach in den Bilanzen stehen bleiben. Denn es gibt keinen Gläubiger, der auf Rückzahlung wartet. Denn dieses Geld ist ursprünglich durch Eintrag in die staatliche Zentralbankbilanz entstanden. Die Zentralbank ist aber kein normaler Gläubiger, der sein Geld dringend zurückbraucht. Eine Zentralbank ist selbst Teil des Staates und sie kann unbegrenzt neues Geld erzeugen. In ihrer Bilanz hat die Geldschöpfung lediglich eine Bilanzverlängerung bewirkt – die tut niemandem weh. Solange die Regierung es mit der Geldschöpfung nicht übertreibt und keine Inflation entsteht, sind Staatsschulden kein Problem und können einfach friedlich in ihrer Bilanz stehen bleiben. Sie können sogar – immer unter dem Vorbehalt, dass die Inflationsraten nicht steigen – moderat weiterwachsen.
Die Staatsschulden friedlich stehen zu lassen, liegt auch im wohlverstandenen Eigeninteresse der Privaten. Denn tatsächlich sind Staatsschulden nur die bilanzielle Rückseite von privaten Ersparnissen. Die Staatsschulden sind entstanden, als der Staat Ausgaben machte und sie nicht in derselben Höhe zurückgesteuert hat. Den Staatsschulden stehen also Guthaben gegenüber, die der Staat dem privaten Sektor überlassen hat. Wollte der Staat nun die Staatsschuld zurückzahlen, müsste er die privaten Guthaben zurücksteuern. Der Staat müsste über Jahre Haushaltsüberschüsse erzielen, also Steuereinnahmen, die über den jährlichen Staatsausgaben liegen und dafür die Ersparnisse der Privaten reduzieren. Nur so würden die Staatsschulden wieder aus der Bilanz verschwinden, in die sie ursprünglich eingetragen wurden. Aber ist es das wert? Die individuellen Unannehmlichkeiten einmal bei Seite gelassen, gibt es eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass die Wirtschaft darauf negativ reagiert. Haushalte und Unternehmen werden auf die höhere Steuerlast und die geringeren staatlichen Investitionen pessimistisch reagieren. Sehr bald würde also nicht nur der staatliche Sektor, sondern auch der private Sektor sparen. Dadurch würden Nachfrage und Realwirtschaft, die bereits durch den sparenden Staat unter Druck sind, noch mehr leiden. Spätestens wenn dann eine Rezession einsetzt, wäre das Experiment der Staatsschuldenrückzahlung wohl wieder vorbei und der Staat würde neue Defizitausgaben beschließen um die Wirtschaft zu stützen.
Tatsächlich wurden Staatsschulden in der Regel auch nicht zurückgezahlt. Nur die sogenannte Staatsschuldenquote ist immer wieder gesunken. Die Staatsschuldenquote ist eine Art die Staatsschulden prozentual, also relativ zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) darzustellen. Das heißt, es reicht, wenn das BIP steigt, damit die Staatsschuldenquote sinkt. Die Staatsschulden in absoluten Zahlen sinken dagegen so gut wie nie. Sie werden – entgegen allen bekundeten guten Willens – nicht zurückgezahlt, da jeder ernsthafte längerfristige Versuch in einer Rezession enden würde. Denn letzten Endes bedeutet das Zurückzahlen der Staatsschulden eine Reduktion der existierenden Menge staatlichen Geldes. In allerletzter Konsequenz würde die Rückzahlung aller Staatsschulden bedeuten, alles Geld von den Konten der Privaten und Banken zu holen und in der großen staatlichen Bilanz erlöschen zu lassen, aus der es ursprünglich gekommen ist. Alle Schulden wären weg und mit ihnen alles Geld.