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Lektion 2, Thema 3
In Progress

Wirtschaftswachstum

Lektion Progress
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Das westliche Zivilisationsmodell der „expansiven Moderne“ beruht auf Wachstum. Historisch lieferte Wirtschaftswachstum die Grundlage, auf deren Basis Verteilungskonflikte vermieden werden konnten, indem es einen immer größeren „Kuchen“ zu verteilen gab. Es war dies ein demokratischer Kompromiss, der den sozialen Frieden sicherte. Heute ist die Weltwirtschaft fast fünfmal so groß wie noch vor einem halben Jahrhundert. Wenn das Wachstum in diesem Tempo weitergehen würde, wäre die Wirtschaft bis zum Jahr 2100 80-mal so groß.6

Auch das Konzept der grünen Ökonomie bleibt fest dem Wachstum verpflichtet. Das Ziel des grünen Wachstums ist es, steigende Produktion und Einkommen mit einer reduzierten Ressourcenintensität zu verbinden. Die grüne Ökonomie verspricht die Produktionsmuster zu verändern, um weder die expansive Grundlogik des Wirtschaftssystems noch die derzeitige Lebensweise in Frage stellen zu müssen. Grüne Ökonomie nimmt an, dass natürliche Ressourcen (Naturkapital) und produzierte Güter (Sachkapital) substituiert werden können. Die Idee ist, dass heute durch technologischen Fortschritt und erhöhte Produktivität der Lebensstandard steigt und mit dem vermehrten Reichtum die verlorengegangene Umweltqualität zu einem späteren Zeitpunkt durch „grüne“ Investitionen wiederhergestellt werden kann. Umweltzerstörung sei reversibel. Das Wirtschaftswachstum soll durch Effizienzsteigerung von Materialverbrauch und Emissionen entkoppelt werden. Unter relativer Entkopplung versteht man die Abnahme von Material- bzw. Emissionsintensität pro Einheit (z. B. weniger Emissionen pro produziertem Fahrzeug). Um das Zwei-Grad-Ziel einzuhalten, bräuchte es allerdings absolute Entkopplung, bei der Emissionen und Materialverbrauch trotz fortgesetztem Wirtschaftswachstum in absoluten Zahlen sinken. Absolute Entkopplung ist bis jetzt nur in ausgewählten Zeiträumen und für einzelne Länder gelungen. Meist deshalb, weil diese Länder (wie Dänemark) ihre ressourcenintensiven Produktionsprozesse in andere Länder (wie China) ausgelagert haben. Global findet bisher keine absolute Entkopplung statt. Die technologischen Anforderungen für absolute Entkopplung sind riesig. Hinzu kommt, dass das Einsparpotenzial von Effizienzsteigerungen in den meisten Fällen nur teilweise realisiert wird, da ein reduzierter Verbrauch in einem Bereich zu einem erhöhten Verbrauch an anderer Stelle führt. Dies wird als Rebound-Effekt bezeichnet: Produkte können durch technischen Fortschritt billiger werden, was wiederum mehr Kaufkraft für zusätzlichen Konsum schafft. Wenn zum Beispiel Autos weniger Kraftstoff verbrauchen, sparen die Menschen Geld beim Tanken, das sie für längere Fahrten oder Flüge ausgeben können.

Die folgenden beiden Abbildungen zeigen die Kohlendioxid-Emissionsintensität pro Dollar sowie die absoluten Kohlendioxid-Emissionen. Die sinkende Emissionsintensität (Abbildung 2) zeigt die relative Entkopplung, die in den letzten Jahrzehnten vor allem in Ländern mit niedrigem Einkommen stattgefunden hat. Global gesehen war die relative Entkopplung gering. Trotz dieses Trends ist die Welt weit von einer absoluten Emissionsreduktion entfernt. Die zweite Abbildung zeigt, dass keine absolute Entkopplung stattgefunden hat – die Emissionen steigen weiter an.

Abbildung 2 Jährliche Kohlendioxid-Emissionsintensität, 1965-20157       Abbildung 3 Jährliche Kohlendioxid Emissionen, 1965-20158

Empirisch lässt sich kein Trend zur Nachhaltigkeit erkennen. Im Gegenteil: Der weltweite Energiebedarf ist von 2000 bis 2017 um mehr als 40 Prozent gestiegen. 81 Prozent dieses Bedarfs werden immer noch mit fossilen Energieträgern gedeckt. Weiterhin dominieren die fossilen Industrien die Weltwirtschaft: Acht der weltweit zehn größten Unternehmen waren 2018 aus der Öl-, Automobil- und Energiebranche. Diese Unternehmen bilden zusammen mit nahestehenden PolitikerInnen, Gewerkschaften und Medien einen einflussreichen fossilen Machtblock, der den Status Quo verteidigt. Die Kohle-, Öl- und Automobilindustrie verteidigt ihr Eigentum (an Ressourcen unter der Erde) und ihre Märkte (für motorisierten Individualverkehr und „billige“ Energie) bisher erfolgreich. Ohne diese Machtfragen anzugehen, wird es schwierig werden, die Klimakrise effektiv zu adressieren.

Auch wenn mit Bewegungen wie Fridays for Future die Tatsache, dass die Welt, wie wir sie kennen, bedroht ist, in die Mainstream-Medien vorgedrungen und auf der politischen Agenda angekommen ist, fehlt es immer noch an ehrgeizigen Klimaschutzmaßnahmen. Wir befinden uns im sogenannten Wachstumsdilemma: Der Verzicht auf Wirtschaftswachstum scheint zum wirtschaftlichen und sozialen Kollaps zu führen, während ein weiteres Streben nach Wachstum die Gefahr birgt, die globalen Ökosysteme zu zerstören, welche die Grundlage unserer Existenz sind.9 Es wird deutlich, dass wir uns nicht länger auf Wirtschaftswachstum verlassen können. „Business as usual“ ist keine Option mehr. Eine andere Art zu produzieren, zu konsumieren und zu leben ist unabdingbar. Doch wie könnte diese aussehen?

 

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