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Lektion 7, Thema 6
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Unterschiedliche Weltanschauungen, unterschiedliche Politikempfehlungen

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Titel der Aktivität Unterschiedliche Weltanschauungen, unterschiedliche Politikempfehlungen
Überblick Die Teilnehmer*innen analysieren, von welchen Strategien verschiedene klimapolitische Vorschläge inspiriert sind.
Ziele Die Grundannahmen der marktliberalen Strategie sowie der pragmatischen und der radikalen Strategie einer sozialökologischen Transformation verstehenVerstehen, von welchem Verständnis von Nachhaltigkeit sowie welchen Strategien bestimmte Politikempfehlungen inspiriert sindDie Stärken und Schwächen der verschiedenen Strategien zu verstehen
Material Handout “Strategien für zukunftsfähiges Wirtschaften” (1 pro Person) Ausdrucke der Fälle A und B (1 pro Gruppe)
Zeit 30 – 45 Minuten
Gruppengröße Ist für jede Gruppengröße geeignet
Anleitung für Trainer*innen  
  1. Bitten Sie die Teilnehmer*innen, kleine Gruppen zu bilden (3-4 Personen).

  2. Jede Gruppe wählt entweder Fall A oder Fall B und nimmt sich den entsprechenden Ausdruck.

  3. Weisen Sie die Teilnehmer*innen an, für jede Politikempfehlung zu analysieren, auf welchem Verständnis von Nachhaltigkeit sie beruht und von welcher Strategie (marktliberale Strategie, pragmatische Strategie einer sozialökologischen Transformation, radikale Strategie einer sozialökologischen Transformation) sie inspiriert ist. Als Grundlage dafür können sie das Handout verwenden und bei Bedarf  online weitere Recherchen zu den Politikempfehlungen durchführen.

  4. Bitten Sie anschließend eine Gruppe, die den Fall A analysiert hat, und eine Gruppe, die den Fall B analysiert hat, vorzustellen, was sie herausgefunden haben. Verwenden Sie die zusätzliche Information (Abschnitt Nachbesprechung und Evaluierung), um entscheidende Punkte zu ergänzen.

Fall A) Im Bereich der Industrie gibt es unterschiedliche Ansätze zur Senkung der Treibhausgasemissionen. Diskutieren Sie mit Ihrer Gruppe, welches Verständnis von Nachhaltigkeit und welche Strategie für zukunftsfähiges Wirtschaften diesen Ansätzen zugrunde liegt:

  • Emissionshandel Im Rahmen von Emissionshandelssystemen wird eine Obergrenze für die Menge an Treibhausgasen festgelegt, die ausgestoßen werden darf. Unternehmen erhalten oder kaufen Emissionszertifikate, die ihnen erlauben, bestimmte Mengen an Treibhausgasen auszustoßen. Reduziert ein Unternehmen seine Emissionen, kann es die nicht mehr benötigten Zertifikate verkaufen. 
  • Besteuerung von Emissionen Einzelne Länder oder die Europäische Union können kohlenstoffintensive Aktivitäten besteuern. Anstatt mit Emissionen zu handeln, könnten sie die Steuer auf die Treibhausgasemissionen der Industrie jedes Jahr ein bisschen höher ansetzen, um die Kosten für die Emission von Treibhausgasen stetig zu erhöhen.
  • Emissionsreduktionsziele für die Industrie festlegen Einzelne Länder oder die Europäische Union können auch absolute Emissionsreduktionsziele für die verschiedenen Industrien gesetzlich vorgeben und damit die Senkung der Emissionen verbindlich machen.



Fall B) Auch für den Schutz des Klimas und der Biodiversität im Allgemeinen werden unterschiedliche Ansätze vorgeschlagen. Diskutieren Sie mit Ihrer Gruppe, welches Verständnis von Nachhaltigkeit und welche Strategie für zukunftsfähiges Wirtschaften diesen Ansätzen zugrunde liegen:

  • REDD+ Das Programm REDD+ der Vereinten Nationen zur Verringerung von Emissionen aus Entwaldung und Waldschädigung in Entwicklungsländern schafft einen finanziellen Wert für den in Wäldern gespeicherten Kohlenstoff durch den Verkauf von Emissionsreduktionseinheiten. Diese Einheiten stehen für eine Tonne CO2-Emissionen, die durch die Nichtabholzung des Waldes vermieden wird.
  • Schutzgebiete  Weltweit sind 11,9 % aller Landflächen Schutzgebiete, von denen die Hälfte explizit dem Schutz der biologischen Vielfalt gewidmet ist.21 „Ein Schutzgebiet ist ein klar definierter geographischer Raum, der durch rechtliche oder andere effektive Mittel dazu vorgesehen, gewidmet und verwaltet wird, einen langfristigen Schutz der Natur und damit verbundener Ökosystemdienstleistung und kultureller Werte zu erreichen.“ (übersetzt)22
Nachbesprechung und Evaluierung Feedback: Reduktion von Treibhausgasemissionen im Bereich der Industrie Der Emissionshandel beruht auf der Kernannahme der schwachen Nachhaltigkeit, dass Naturkapital mit anderen Kapitalformen vergleichbar ist und durch Geld ersetzt werden kann. Unternehmen, die ihre Emissionen nicht reduzieren, können sich durch den Erwerb von Emissionszertifikaten freikaufen. Dabei ist es z.B. im EU-Emissionshandelssystem (EU ETS) auch möglich, internationale Zertifikate aus Projekten zur Emissionsreduktion zu kaufen, wodurch der globale Norden seine Klimaschutzpflichten an den globalen Süden “abgeben” kann. Der EU-Emissionshandel war der erste große Kohlenstoffmarkt der Welt. Emissionsmärkte bestehen nicht “von Natur aus”; sie werden durch Regulierung geschaffen. Märkte zu etablieren, auf welchen Emissionen handelbar sind, bedeutet, ein stabiles Klima zu kommodifizieren (zu einer zu Ware machen). Marktliberale, insbesondere neoklassische Ökonom*innen, unterstützen die Schaffung von Emissionsmärkten, da sie darin ein Mittel sehen, falsche Preissignale zu korrigieren, indem sie die bisher externalisierten Kosten, die Emissionen für die Gesellschaft haben, in den Endpreis einbeziehen. Auch einige pragmatische Befürworter*innen einer sozialökologischen Transformation unterstützen Emissionshandelssysteme mit dem Argument, dass diese die emissionsintensive Produktion verteuern und dadurch weniger umweltschädliche Alternativen fördern. Radikale Befürworter einer sozialökologischen Transformation sind gegen die Kommodifizierung von Emissionen. Sie kritisieren, dass es für den Erhalt eines stabilen Klimas nicht darauf ankommen sollte, wie sich die Preise auf den Märkten entwickeln. Anders als bei der Besteuerung von Emissionen, wo Regierungen Steuergelder einnehmen und diese reinvestieren können, um eine Transformation sozial gerecht zu gestalten, verdienen in Emissionshandelssystemen vor allem Konzerne durch den Weiterverkauf von Zertifikaten, die sie aufgrund historischer Emissionen und Lobbyarbeit meist kostenlos zugeteilt bekommen haben. 

Die Besteuerung von Treibhausgasemissionen kann Teil aller drei Strategien sein.  Während Libertäre wie Hayek die Einführung solcher Steuern nicht befürworten würden, können sie für neoklassische Ökonom*innen ein Mittel sein, das zu “richtigen Preisen” führt. Befürworter*innen beider Strategien der sozialökologischen Transformation argumentieren, dass die Steuergelder neben der Verteuerung emissionsintensiver Aktivitäten auch der Förderung grüner Innovationen (primär pragmatische Sichtweise) und der Lösung von Ungleichheitsproblemen durch Umverteilung (primär radikale Sichtweise) dienen sollen. Anstatt die Umweltbelastung zu verteuern, kann diese auch einfach verboten werden. Ein Beispiel war das Verbot von FCKW in Kühlschränken, die bis dahin die Ozonschicht schädigten. Ein Verbot von nicht nachhaltig hohen Treibhausgasemissionen kommt für Marktliberale nicht in Frage, da dies einen Eingriff in den freien Markt darstellen würde.

Befürworter*innen einer sozialökologischen Transformation hingegen sehen regulatorische Eingriffe als notwendig an, um ein stabiles Klima zu erhalten und damit die Umwelt und die Gesellschaft zu schützen, in welche die Wirtschaft eingebettet ist. Während das Konzept der schwachen Nachhaltigkeit aufgrund der Inkommensurabilität Marktinstrumente und Preiskorrekturen präferiert, fordert das Konzept der starken Nachhaltigkeit in vielen Fällen strikte regulatorische Eingriffe, um unersetzliche Ökosysteme zu schützen, was dem Prinzip der Inkommensurabilität entspricht.

Feedback Klima und Biodiversität:  REDD+ baut auf dem Konzept der schwachen Nachhaltigkeit auf, da es explizit davon ausgeht, dass der Natur ein objektiver und quantifizierbarer Wert zugeschrieben werden kann. Durch den Preismechanismus des Programms stehen gesunde und intakte Wälder in Konkurrenz zu anderen, zerstörerischen Landnutzungen. Dies impliziert, dass für einen effektiven Schutz der Wälder durch den Mechanismus der Fortbestand dieser mit einem höheren Preis bewertet werden muss als alternative Nutzungsmöglichkeiten. Da die Bewertung größeren makroökonomischen Einflüssen und Trends auf den Kapitalmärkten unterliegt, könnte der Bewertungsmechanismus versagen, wenn sich die wirtschaftlichen Bedingungen ändern. Befürworter*innen der starken Nachhaltigkeit kritisieren, dass der durchschnittliche Zeithorizont von REDD+ Projekten lediglich 20 Jahre beträgt, während Kohlenstoffemissionen aus der Verbrennung fossiler Brennstoffe mehrere tausend Jahre in der Atmosphäre verbleiben. Hinzu kommt, dass im Rahmen von REDD+ Programmen Primärwälder abgeholzt und durch industrielle Baumplantagen ersetzt werden können. Im Konzept der schwachen Nachhaltigkeit ist dies kein Problem, solange der Wert (in diesem Fall für die Speicherung von Kohlenstoff) gleich bleibt. Laut starker Nachhaltigkeit könnnen komplexe Ökosysteme nicht einfach durch industrielle Baumplantagen ersetzt werden: Auch wenn die Kohlenstoffspeicherkapazität gleich bleibt, würde die Biodiversität und das Ökosystem selbst verloren gehen. 

Marktliberale befürworten Programme wie REDD+, da sie Marktlösungen für die effizientesten halten. Auch viele pragmatische Befürworter*innen einer sozialökologischen Transformation tun dies – als billige Möglichkeit, Emissionen zu “reduzieren”. Vor allem radikale Vertreter*innen einer sozialökologischen Transformation kritisieren jedoch REDD+ Programme, da sie es den Ländern des globalen Nordens und “ihren” Unternehmen erlauben, für das “Recht zu verschmutzen” zu bezahlen und damit ihr aktuelles Produktions- und Verschmutzungsniveau beizubehalten, anstatt tatsächlich Emissionsreduktionsziele zu erfüllen. Die Kommodifizierung der Kohlenstoffspeicherung von Wäldern erlaubt es ihnen, mehr Energie aus fossilen Brennstoffen zu verbrauchen, ohne die Kohlenstoffbindung tatsächlich zu erhöhen, da die Wälder nicht einmal wieder aufgeforstet, sondern nur nicht abgeholzt werden. Darüber hinaus kritisieren sie REDD+ als einen kolonialen Mechanismus, der Land einschließt und indigene Völker und Waldbewohner*innen dazu zwingt, die Kontrolle über ihr Land, ihre Ressourcen und ihre Traditionen aufzugeben.

Starke Nachhaltigkeit hingegen setzt auf Schutzgebiete, da  Ökosysteme unersetzlich sind und daher erhalten bleiben müssen, z.B. durch das Verbot, Wald zu roden. Dies kann als Anwendung des Vorsorgeprinzips verstanden werden, um das Risiko irreversibler, gefährlicher Schäden zu vermeiden. Marktliberale wären dagegen, wirtschaftliche Aktivitäten wie das Holzfällen generell zu verbieten, da sie es für effizienter halten, Preissignale darüber entscheiden zu lassen, was geschehen soll. Die einzigen regulatorischen Eingriffe, die sie vorschlagen, sind die Schaffung und Sicherung einer Eigentumsordnung sowie von Märkten. Sowohl pragmatische als auch radikale Befürworter*innen einer sozialökologischen Transformation würden die Einrichtung von Schutzgebieten unterstützen, in denen bestimmte wirtschaftliche Aktivitäten verboten sind.
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