Wirtschaft und Klima
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Strategien zukunftsfähigen Wirtschaftens
Business as usual ist keine Option. Aber wie soll eine Transformation hin zu einer klimafitten, nachhaltigen Wirtschaft aussehen? Die folgenden, idealtypischen Strategien unterscheiden sich in ihren Grundannahmen und Ansätzen.
Die marktliberale Strategie, die auf den Vorstellungen Hayeks und der Neoklassik basiert, sieht im Markt die Institution, die individuelles Handeln und gesamtgesellschaftliche Wohlfahrt verbindet. Dies wird mit dem Bild der „unsichtbaren Hand“ dargestellt, die – soziologisch gesprochen – ein Beispiel für Handeln ist, das unbeabsichtigt zu einem gesellschaftlichen Optimum führt. Sie regelt Angebot und Nachfrage mit Hilfe des Marktmechanismus. So kann das Verfolgen von Eigeninteressen dem Gemeinwohl besser dienen als jegliche wirtschaftliche Planung. Der Staat ist ein Zwangsapparat, dessen Einfluss auf konkretes wirtschaftliches Handeln minimiert werden muss. Freie Marktwirtschaft und Freihandel sind die besten Voraussetzungen für zukunftsfähiges Wirtschaften. Gibt es eine funktionierende Markt- und Eigentumsordnung, kann darauf vertraut werden, dass die anstehende Transformation spontan mit Hilfe von Marktprozessen gelingt. Die Aufgabe marktliberaler Politik besteht darin, die passenden Rahmenbedingungen zu gewährleisten. Innerhalb dieses Leitbilds reicht das Spektrum von libertären Positionen, die Staatseingriffe minimieren wollen (im Sinne Hayeks) bis hin zu neoklassischen Positionen, die wirtschaftswissenschaftliche Erkenntnisse nutzen, um Marktversagen zu korrigieren (zum Beispiel durch eine CO2-Steuer). Marktversagen kann vermieden werden, wenn ökologische Güter, wie gute Luft- und Wasserqualität einen Preis erhalten, da knappe Ressourcen und Produktionsfaktoren so optimal eingesetzt werden. Die damit einhergehende Ausweitung von Märkten kommodifiziert immer mehr Aspekte des Lebens, die bisher keinen Preis hatten.
Die Strategie einer sozialökologischen Transformation ergibt sich aus den großen gegenwärtigen Herausforderungen. Sie ist inspiriert von Karl Polanyi, diversen sozioökonomischen Theorien, der sozialökologischen Transformationsforschung und teilweise auch Keynes. Es braucht es eine grundlegende Transformation, die neue Wege hin zu einer nachhaltigen und gerechten Wirtschaftsweise beschreitet. Innerhalb dieses Leitbilds reicht das Spektrum von pragmatischen bis zu radikalen Vorstellungen einer sozialökologischen Transformation. Eine pragmatische Position ist zum Beispiel jene des deutschen Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU), der einen neuen Weltgesellschaftsvertrag für eine nachhaltige Weltwirtschaftsordnung vorschlägt. Dieser Ansatz ökologischer Modernisierung verbindet soziale mit systemischen Innovationen. Ein starker gemeinwirtschaftlicher Sektor, eine gute öffentliche Technologie- und Innovationspolitik sowie öffentliche Infrastrukturen schaffen Möglichkeiten für eine Transformation „by design“. Doch bleibt Wirtschaftswachstum wichtig, um Verteilungskonflikte zu lösen, indem es einen immer größeren „Kuchen“ zu verteilen gibt. Nachhaltigkeit, Gerechtigkeit und wirtschaftlicher Fortschritt können geleichzeitig erreicht werden, wenn das Wirtschaftswachstum von Emissionen und Ressourcenverbrauch entkoppelt wird.
Unter Anderen fordern Vertreter*innen des Degrowth Movements eine radikale sozial-ökologische Transformation. Betont werden hierbei zwei Haupthindernisse für wirtschaftliche Zukunftsfähigkeit: der Wachstumszwang und die Tendenz zur Kommodifizierung aller menschlichen Lebensbereiche. Da keine absolute Entkopplung von Ressourcenverbrauch und Emissionen vom Wirtschaftswachstum stattfindet und dies auch keine praktikable Strategie für die notwendige radikale Reduktion des Materialverbrauchs und der Emissionen darstellt, ist eine Abkehr vom Wachstumszwang der Volkswirtschaften erforderlich. Anstelle von wachsendem materiellen Wohlstand und Konsum sollte der Fokus auf menschlichem Wohlbefinden und Suffizienz liegen. Auch eine Dekommodifizierung ist notwendig, da viele Bereiche nicht geeignet sind, als Ware auf dem Markt gehandelt zu werden. Wenn die fundamentalen Grundlagen eines guten Lebens, von frischer Luft und Wasser bis hin zu guter Bildung, öffentlicher Gesundheit und öffentlichem Verkehr, allen Menschen zur Verfügung gestellt und nicht auf Märkten gehandelt werden, hängt das Wohlbefinden weniger von (wachsendem) Einkommen und Konsum ab. Die Vision ist eine tiefgreifende Transformation, die zu einer nachhaltigen und gerechten Wirtschaft führt. Dieser Ansatz ist politisch und setzt stark auf soziale Bewegungen – wie Fridays for Future – um Druck “von unten”, aus der Zivilgesellschaft kommend, aufzubauen, um systemische Veränderungen zu initiieren. Es geht um Widerstand gegen Fehlentwicklungen (z. B. Braunkohlebergbau) und neue Formen zukunftsfähigen Wirtschaftens wie die Commons Bewegung, social entrepreneurs oder Genossenschaften.
Die folgende Tabelle vergleicht die verschiedenen Strategien:
Marktliberale Strategie | Pragmatische Strategie einer sozialökologischen Transformation | Radikale Strategie einer sozialökologischen Strategie | |
Inspiriert von | Hayek, Neoklassik | Polanyi, Keynes, Sozioökonomik, Umweltökonomik, ökologische Ökonomik | Polanyi, Sozioökonomik, ökologische Ökonomik |
Ziele | Marktordnung sichern, Wettbewerbsfähigkeit, Wachstum | Wirtschaftswachstum von steigendem Ressourcen-verbrauch entkoppeln | Abkehr von Wachstums-zwang; Experimente mit sozioökologischen Alternativen |
Kommodifizierung | Ja | Teilweise | Nein |
Transformation | Spontane Transformation | Transformation “by design” | Soziale Innovation mit dem Ziel systemischer Veränderung |
Tabelle 2 Strategien zukunftsfähigen Wirtschaftens14