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Ursprünge der feministischen Ökonomie und wichtige Vordenkende

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Die Ursprünge der feministischen Ökonomie reichen bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts zurück, gewisse Bedenken hinsichtlich der Situation der Frauen finden sich sogar in der Literatur des 17. und 18. Sie gewann jedoch in den 1990er Jahren an Bedeutung, als der Begriff “feministische Ökonomie” erstmals verwendet wurde. 

Das Schlüsselwerk, das als Gründungsdokument der feministischen Wirtschaftswissenschaft gilt, war Marilyn Warings Buch “If Women Counted” (1988). Dieses Buch brachte eine grundlegende Kritik an der Art und Weise, wie Wirtschaftswachstum gemessen wird. Waring wies darauf hin, dass die unbezahlte Arbeit von Frauen sowie der Wert der Natur in den Variablen, die zur Ermittlung der Wirtschaftstätigkeit von Nationen (System der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung) herangezogen werden, nicht berücksichtigt wurden. Warings Erkenntnisse lösten eine Neudefinition des Bruttoinlandsprodukts durch die Vereinten Nationen aus.  

Ein weiterer wichtiger Meilenstein war die Gründung der International Association for Feminist Economics (IAFEE) im Jahr 1992, gefolgt von der Herausgabe des ersten Bandes der Zeitschrift Feminist Economics im Jahr 1995.

Es gibt viele Forschende oder “Vordenkende”, die zur Entwicklung der feministischen Ökonomie beigetragen haben, wie die dänische Ökonomin Ester Boserup, die amerikanischen Ökonominnen Marianne Ferber, Barbra Bergmann, Heidi Hartmann oder Julie A. Nelson oder die indische Entwicklungsökonomin Bina Agarwal.Eine Liste mit weiteren Namen von feministischen Ökonom*innen finden Sie hier https://en.wikipedia.org/wiki/List_of_feminist_economists. Nachfolgend werden die wichtigsten Theorien von vier Wirtschaftsforschende, die wichtige Beiträge zur Entwicklung der feministischen Ökonomie geleistet haben, kurz vorgestellt. Für weitere Lektüre besuchen Sie bitte die Hyperlinks.

Ester Boserup(1910-1999) Ester untersuchte den Zusammenhang zwischen Geschlecht und wirtschaftlicher Entwicklung. Sie machte auf die unverhältnismäßige Arbeitsteilung zwischen Männern und Frauen aufmerksam. Ihre Arbeit regte die Diskussion über bessere Arbeits- und Bildungschancen für Frauen an. Mit ihrem 1970 veröffentlichten Werk Woman’s Role in Economic Development (Die Rolle der Frau in der wirtschaftlichen Entwicklung) beeinflusste sie den Diskurs über Geschlecht und Entwicklungspraktiken.
Marianne Feber(1923-2013) Marianne veröffentlichte mehrere Bücher, die sich mit den Themen Frauen und Arbeit, Konstruktion von Geschlecht und Familie befassten. Sie wies darauf hin, dass Kinderbetreuung und familiäre Pflichten nicht nur in der Familie, sondern auch von den Arbeitgebern neu geregelt werden müssen, um die steigende Zahl von Frauen, die ins Berufsleben eintreten, zu unterstützen. Zu ihren wichtigsten Veröffentlichungen gehören: Women and Work, Paid and Unpaid (1987) oder Work and Families: Policies for a Changing Workforce (1991).
Barbara Bergmann(1927-2015) Barbara leistete wichtige Beiträge zur feministischen Ökonomie. Sie vertrat die Auffassung, dass die Arbeitsmärkte nicht durchgängig diskriminierend sind. Außerdem kritisierte sie die traditionellen Wirtschaftsparadigmen, die ihrer Ansicht nach auf unrealistischen Annahmen beruhten. Ihre Arbeit umfasste viele Themen, darunter Geschlechterfragen, Kinderbetreuung, soziale Sicherheit oder Armut. 
Heidi Hartmann(1945 – ) Heidi ist die Gründerin des Institute for Women’s Policy Research (IWPR) mit Sitz in Washington. Sie ist spezialisiert auf Forschung in den Bereichen Frauen, Wirtschaft und öffentliche Politik. Heidi fordert eine gerechtere Aufteilung der häuslichen Pflege, um die Arbeitsmöglichkeiten für Frauen zu verbessern. Sie wies auch darauf hin, dass die soziale Sicherheit für Frauen sowohl Vorteile als auch Nachteile mit sich bringt. Da Frauen weniger Zugang zu Renten und Ersparnissen haben, sind sie im Alter vor allem auf die Sozialversicherung angewiesen, was sie anfälliger macht.

Im Laufe der Zeit entwickelte die feministische Ökonomie ihre eigene theoretische Grundlage (Konzepte, Analyserahmen, Methoden) sowie Initiativen für ihre praktische Anwendung, die zu einer Quelle für politische Entscheidungen wurden. Sie entwickelte sich allmählich zu einer klar gegensätzlichen Denkschule zur neoklassischen Ökonomie.

Die feministische Wirtschaftswissenschaft ist eng mit politischen und sozialen Bewegungen verknüpft. Feministische Ökonominnen haben sich für das Wahlrecht von Frauen, den gleichberechtigten Zugang zum Arbeitsmarkt, finanzielle Unabhängigkeit, die Teilnahme an Gewerkschaften, sexuelle und körperliche Selbstbestimmung und die Anerkennung unbezahlter Arbeit eingesetzt. Zu den politischen Forderungen3 feministischer Ökonom*innen gehören die Verkürzung der Arbeitszeit und ein Grundeinkommen oder radikalere Konzepte wie die von Frigga Haug entwickelte Vier-in-einem-Perspektive, die eine Aufteilung der verfügbaren Zeit auf vier gleichberechtigte Sphären fordert: Lohnarbeit, Reproduktionsarbeit, Freiwilligenarbeit und Freizeit. Feministische Ökonomie ist auch eng mit ökologischen Bewegungen verknüpft, die auf die Wechselbeziehung zwischen der ökologischen Krise und der Krise der sozialen Reproduktion hinweisen.

Feministische Ökonomie ist keine einzelne ökonomische Denkschule. Sie ist sehr vielfältig und umfasst viele verschiedene Perspektiven. Im Laufe der Jahre haben sich drei Hauptperspektiven entwickelt:

  • Liberal-feministische Ökonomie
    Diese Perspektive strebt einen gleichberechtigten Zugang zum Arbeitsmarkt an, der als Instrument zur Verwirklichung der Gleichstellung der Geschlechter angesehen wird. Sie konzentriert sich auf die Analyse der Lohnunterschiede, der Hindernisse für den gleichberechtigten Zugang von Frauen zum Arbeitsmarkt und der Auswirkungen politischer und wirtschaftlicher Instrumente auf Frauen.
  • Konstruktivistische feministische Ökonomie
    Die konstruktivistische feministische Ökonomie analysiert die Frage der Zuschreibung von Geschlechteridentitäten. Solche Identitäten haben Auswirkungen auf wirtschaftliche Entscheidungen, Strukturen und Prozesse. Wenn Frauen Tätigkeiten ausüben, die als “weibliche” Arbeit wahrgenommen werden, stellt diese Perspektive die Frage, ob eine solche Entscheidung Stereotype und geschlechtsspezifische Ungleichheiten reproduziert oder nicht.
  • Kritische feministische Ökonomie
    Diese Perspektive analysiert die Interdependenz von Kapitalismus und geschlechtsspezifischen Ungleichheiten. Ausgangspunkt ist die Kritik an der marxistischen Arbeitswerttheorie, die die unbezahlte Reproduktionsarbeit von Frauen außer Acht lässt.
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