Seit 2010 haben sowohl die Staatsverschuldung als auch die Verschuldung privater Unternehmen weltweit einen neuen Höchststand erreicht. Ein Großteil dieses Anstiegs lässt sich auf die große Finanzkrise nach 2008 zurückführen. Damals beschlossen die Regierungen einer Reihe reicher Länder, die Schulden privater Unternehmen und Banken zu verstaatlichen. Darüber hinaus setzten die Europäische Zentralbank (EZB), die US Notenbank und andere Zentralbanken im Rahmen ihrer Politik der „quantitativen Lockerung” (englisch: “Quantitative Easing”, abgekürzt: QE) 11 Billionen US-Dollar in der Weltwirtschaft frei, wodurch die Staatsverschuldung erhöht wurde, um Unternehmensanleihen aufzukaufen und diese Unternehmen mit Liquidität zu versorgen. Es gab nur wenig Kontrolle darüber, wie dieses Geld verwendet wurden. Ein großer Teil davon wurde an Länder des globalen Südens weiterverliehen, die nun den Kreditgebern der Unternehmen ausgesetzt sind.
Diese Faktoren zusammengenommen haben dazu geführt, dass sich die jährliche Kreditvergabe an Länder des globalen Südens von 185 Milliarden US-Dollar im Jahr 2007 auf 452 Milliarden US-Dollar im Jahr 2018 mehr als verdoppelt hat. Auch das Profil der Kreditgeber hat sich verändert: Mehr als 55 Prozent aller Zinsen, die afrikanische Länder südlich der Sahara für Staatsschulden zahlten, gingen an private Kreditgeber, deren Zinssätze weitaus höher liegen. Die Zunahme privater Kredite setzt die Länder den Schwankungen der internationalen Währungs- und Anleihemärkte aus, was bedeutet, dass
mit dem Anstieg der Verschuldung im Globalen Süden auch die Anfälligkeit für eine kommende globale Finanzkrise zunimmt.
Und anstatt diese neuen Schulden im globalen Süden für Investitionen in die wirtschaftliche oder ökologisch nachhaltige Entwicklung zu nutzen, zeigt sich, dass die neuen Schulden in vielen Fällen einfach zur Rückzahlung bestehender, eskalierender Schulden verwendet wurden.
In den letzten zehn Jahren ist die Verschuldung in den Ländern mit niedrigem Einkommen von durchschnittlich über 40 Prozent des BIP auf 49 Prozent im Jahr 2019 gestiegen, was bedeutet, dass die Verschuldung in den armen Ländern das Wachstum der Realwirtschaft deutlich übersteigt. In den letzten fünf Jahren ist die Zahl der Länder, die von einer
Schuldenkrise bedroht sind oder sich bereits in einer Schuldenkrise befinden, von 37 auf 51 gestiegen.
Zwischen 2010 und 2018 stieg der Anteil der Auslandsschulden an den Staatseinnahmen in den Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen um 83 Prozent, von durchschnittlich 6,71 Prozent im Jahr 2010 auf durchschnittlich 12,56 Prozent im Jahr 2018. Speziell in den afrikanischen Ländern südlich der Sahara hat sich der Anteil der Staatseinnahmen, der für den Schuldendienst bestimmt ist, mehr als verdoppelt: von 4,56 Prozent im Jahr 2010 auf 10,8 Prozent im Jahr 2018.
Diese wachsende Schuldenkrise wurde durch das Auftreten der Covid19-Pandemie noch verschärft. Eurodad schätzt, dass ein Schuldenmoratorium für die Jahre 2020/2021 bis zu 50,4 Milliarden US-Dollar an zusätzlichen Mitteln zur Bekämpfung des Covid19-Ausbruchs freisetzen könnte, für 69 einkommensschwache Länder, die in irgendeiner Weise von einer Verschuldungskrise bedroht sind.3 Dazu steigt der Finanzierungsbedarf für die Eindämmung des Klimawandels und die Anpassung an ihn. Jedoch werden zwei Drittel der Mittel, die einkommensschwache Ländern für die Bekämpfung des Klimawandels zur Verfügung stehen, in Form von Krediten vergeben, was die Schuldenblase weiter vergrößert. Sinkende Rohstoffpreise verschärfen die Krise.
