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Lektion 2, Thema 9
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A: Der neoliberale Ansatz zur Bewältigung von Schuldenkrisen

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Diese Ad-hoc-Reaktion auf Staatsschuldenkrisen folgt dem neoklassischen Modell des  Verständnisses von Staatsverschuldung. Es geht, wie wir oben gesehen haben, davon aus,  dass Schuldenkrisen auf übermäßige Staatsausgaben zurückzuführen sind.  Dementsprechend folgen auch die Lösungsansätze dieser neoliberalen Denkschule und  weisen im Allgemeinen einige oder alle der folgenden Merkmale auf:  

● Neue Notkredite zur Deckung kurzfristiger Schuldenrückzahlungen an die Gläubiger,  anstatt Schuldenabschreibungen auszuhandeln. 

● Umschuldung nur in Formen, die sicherstellen, dass die Gläubiger letztendlich bezahlt  werden. 

● Sparmaßnahmen zur Senkung der öffentlichen Ausgaben des öffentlichen Sektors, bei  Gesundheit, Bildung, Sozialleistungen usw.  

● Wirtschaftsreformen (oft in Form von Bedingungen, die an Notkredite geknüpft sind),  mit dem Schwerpunkt auf der Privatisierung staatlicher Unternehmen, öffentlicher  Vermögenswerte und Dienstleistungen, Aufhebung von Schutzmaßnahmen für die  einheimische Industrie oder Landwirtschaft und die Liberalisierung des Handels. 

Darüber hinaus ist die neoliberale Schule der Ansicht, dass bei einer Schuldenkrise zwar  eine bessere Koordinierung zwischen den Gläubigern erforderlich ist, die Verantwortung  dafür aber beim IWF liegen sollte. Der IWF ist jedoch selbst ein Kreditgeber – und damit nicht in der Lage, ein neutraler Schiedsrichter zu sein. Selbst der IWF räumt jedoch ein, dass  “neue Herausforderungen für eine mögliche Schuldenregulierung“ bestehen, aufgrund der  zunehmenden Komplexität der Staatsverschuldung. Insbesondere steigt mit immer mehr  beteiligten Kreditgebern und vielen verschiedenen Arten von Krediten auch die Schwierigkeit  der Gläubigerkoordinierung, die erforderlich ist, um umfassende, für alle wichtigen Gläubiger  akzeptable Vereinbarungen zu erzielen.  

Grundsätzlich ist aber bei diesem Ansatz nur der Kreditnehmer für seine Schulden  verantwortlich. Es wird implizit davon ausgegangen, dass die Kreditvergabe  verantwortungsbewusst erfolgt und die Fähigkeit des Kreditnehmers, die Schulden  zurückzuzahlen, mit der gebotenen Sorgfalt geprüft wird. Bei der Bewertung der  Schuldentragfähigkeit stellen Kreditgeber wie der IWF fest, ob sich ein Schuldnerland die  Aufnahme weiterer Schulden leisten kann. Dabei wird aber kaum – wenn überhaupt – berücksichtigt, welche Auswirkungen die Rückzahlungen auf das Gesundheits- oder  Bildungswesen haben können.  

Das Fehlen eines koordinierten Schuldenmoratoriums ist während der Covid19-Pandemie  besonders deutlich zu spüren. Obwohl sich die Regierungen und die internationalen  Finanzinstitutionen im Prinzip über die Notwendigkeit eines Schuldenerlasses einig sind, gibt  es kein definiertes Forum, in dem darüber verhandelt werden kann.  

Wenn so ein koordinierendes Forum aber fehlt, entstehen Probleme wie dieses: ein Land  gewährt ein Schuldenmoratorium, andere aber nicht – so dass am Ende die für das  Schuldnerland freiwerdenden Mittel einfach zur Rückzahlung an andere Gläubiger verwendet  werden. Daher ist nur ein koordinierter und durchsetzbarer Mechanismus effektiv, der die  Beteiligung aller Gläubiger erfordert.  

Ohne einen internationalen Rechtsmechanismus für die Aushandlung von  Schuldenmoratorien können insbesondere private Gläubiger die Schuldnerländer jederzeit  verklagen, weil sie die Bedingungen ihrer Kredite nicht einhalten.  

Dabei hat das Fehlen eines klaren Mechanismus für den Umgang mit Staatsschuldenkrisen  nicht bedeutet, dass die Gläubiger ungeschoren davongekommen sind. Da es keinen  Umstrukturierungsmechanismus gibt, wurden die Schuldenrückzahlungen häufig einseitig 

ausgesetzt, anstatt sie auszuhandeln oder nach vereinbarten Regeln auszusetzen. Seit 1980  wurde fast ein Drittel der Aussetzungen von Staatsschuldenzahlungen durch Verhandlungen  mit den Gläubigern beschlossen. In den übrigen Fällen, insbesondere während der  Schuldenkrise in den 1980er Jahren, wurden Schuldenmoratorien ohne die Zustimmung der  Gläubiger beschlossen. 

B: Die Alternative: Forderung nach einem Mechanismus zur Umstrukturierung von  Staatsschulden, für verantwortungsvolle Kreditvergabe und eine bessere Beurteilung der Schuldentragfähigkeit  

Befürworter der Schuldengerechtigkeit verfolgen einen ganzheitlicheren Ansatz in Bezug auf  Schuldenkrisen und sind der Ansicht, dass Maßnahmen zur Vermeidung von Schuldenkrisen  in drei Bereichen erforderlich sind: 

1. Verhinderung von Schuldenkrisen durch bessere Regeln für die  Kreditvergabe und die Bewertung der Tragfähigkeit von Schulden. Dies würde  bedeuten, dass alle Kreditgeber verpflichtet sind, sorgfältig zu prüfen, ob die von  ihnen gewährten Kredite ohne Beeinträchtigung der Menschenrechte zurückgezahlt  werden können. Derzeit wird bei der Bewertung der Schuldentragfähigkeit nur  geprüft, ob die Schulden zurückgezahlt werden können. Und wenn dies nicht der Fall  ist, wird vorgeschlagen, die Ausgaben im öffentlichen Sektor, zum Beispiel bei den  Sozialausgaben zu kürzen. Dies würde auch bedeuten, dass der IWF keine Kredite  mehr allein zu dem Zweck vergibt, Schulden bei anderen, rücksichtslosen  Kreditgebern zu begleichen, da diese Praxis nur zu weiteren rücksichtslosen  Kreditvergaben ermutigt.  

2. Gerechter Umgang mit Schuldenkrisen durch die Einrichtung einer neuen  internationalen Schuldenregulierungsbehörde. Dieses Gremium, als multilateraler  Schuldenbereinigungsmechanismus bekannt, wäre Teil der Vereinten Nationen und  sowohl von Gläubigern als auch von Kreditgebern unabhängig. Es hätte die rechtliche  Befugnis, auf Antrag eines Schuldnerlandes, dessen Schuldenkrise zu untersuchen  und eine Lösung vorzuschlagen. Sobald die Einschaltung der Behörde beantragt  wäre, dürften die Gläubiger die Schuldnerländer nicht mehr auf Rückzahlung  verklagen. Der Mechanismus hätte die Aufgabe, die Berechtigung aller von den  Gläubigern erhobenen Rückzahlungsforderungen zu prüfen, auch auf die Frage hin,  ob sie angemessen oder potenziell ungerecht sind. Er würde unvoreingenommen mit  Gläubigern und Schuldnern verhandeln und einen unparteiischen und durchsetzbaren  Vorschlag zur Umstrukturierung der Schulden eines Landes vorlegen. Ein UN basierter Schuldenbereinigungsmechanismus genießt große Unterstützung: 2014  unterstützte eine Mehrheit der Länder in der UN-Generalversammlung einen Antrag,  der seine Einrichtung befürwortete. Doch ohne die Unterstützung der reichen Länder  ist die das Projekt nicht vorangekommen.  

3. Den Ländern helfen, eine höhere Verschuldung zu vermeiden, indem sie  in die Lage versetzt werden, ihre Volkswirtschaften nachhaltig zu entwickeln, ohne  aufgezwungene neoliberale Politik. Dazu gehören internationale Maßnahmen, die  den Regierungen helfen, in ihren eigenen Ländern Geld zu beschaffen (inländische  Ressourcenmobilisierung), indem sie beispielsweise Steuern von großen  Unternehmen erheben. Derzeit zahlen internationale Konzerne in armen Ländern weit  weniger Steuern als sie sollten, da viele Schlupflöcher genutzt werden, zur  Minimierung von Steuerzahlungen und für illegale Finanzströme. Ebenso gilt es schädliche Sparauflagen abzuschaffen, die oft an Kredite geknüpft sind oder von  großen Kreditgebern gefordert werden.

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